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Wenn am Ende des Monats das Geld fehlt

Es gibt Menschen, die jeden Monat dasselbe erleben. Sie öffnen die Banking-App. Scrollen durch die Transaktionen. Spüren dieses vertraute Unbehagen. Das Konto ist leer. Oder im Minus. Wieder.

Manche verdienen 140'000 Franken im Jahr. Andere 45'000. Das spielt keine Rolle. Am Ende des Monats ist das Gefühl dasselbe: «Diesen Monat wollte ich doch aufpassen.»

Die Antwort auf die Frage «Was stimmt eigentlich nicht mit mir?» ist unbequem. Es liegt nicht am Geld. Es liegt an der Art, wie man damit umgeht. Und diese Art ist – bei fast allen – fundamental irrational.


Die Illusion der Vernunft

Menschen halten sich für rational. Für logisch denkende Wesen, die Entscheidungen auf Basis von Fakten treffen. Die Realität sieht anders aus. Menschen nehmen selektiv wahr. Sie bewerten subjektiv. Sie entscheiden irrational. Und sie setzen inkonsequent um.


Das ist keine psychologische Theorie. Das ist Alltag.

Nehmen wir die Steuererklärung. Frist: 31. März. Das weiss jeder. Seit Monaten. Die Unterlagen liegen bereit. Oder könnten bereitliegen. Trotzdem: nichts passiert.

Man schiebt auf. «Noch Zeit.» «Nächste Woche.» «Wenn ich mehr Ruhe habe.»

Ende März kommt die Panik. Man verlängert bis November. Erleichterung. Problem gelöst? Nein. Das Thema liegt jetzt im Hinterkopf. Offen. Ungelöst. Es kostet mentale Energie. Jeden Tag ein bisschen.

Im November wiederholt sich das Spiel. Wieder Stress. Wieder Zeitdruck. Und wenn man sich endlich hinsetzt, dauert es Stunden. Nicht weil die Steuererklärung kompliziert wäre. Sondern weil man erst alle Belege zusammensuchen muss.

Hätte man sie gesammelt, wäre die Sache in einer Stunde erledigt.

Das ist keine Zeitfrage. Das ist eine Haltungsfrage.

Genau diese Haltung bestimmt auch den Umgang mit Geld. Man weiss, was man tun sollte. Man tut es nicht. Und dann wundert man sich, warum es nie reicht.


Das Konto als Symptom

In zwanzig Jahren in der Finanzbranche habe ich eines gelernt: Die meisten Menschen kämpfen nicht gegen ihr Konto. Sie kämpfen gegen sich selbst.

Eine Klientin. Führungsposition. 140'000 Franken Jahresgehalt. Jeden Monat im Minus. Nicht knapp. Deutlich.

Das Problem war nicht ihr Einkommen. Das Problem war, dass sie sich Anerkennung kaufte. Nach ihrer Scheidung wollte sie sich beweisen, dass sie es geschafft hatte. Jeder Kauf war ein Statement. An sich selbst.

Das Geld war nicht das Problem. Ihr Selbstwert war es.

Ein anderer Klient. Teilzeit angestellt. 3'800 Franken im Monat. Auch er: jeden Monat im Minus. Nicht weil das Geld nicht reichte. Sondern weil er nicht wusste, wofür es draufging.


Kleine Ausgaben. Hier 15 Franken. Dort 30 Franken. Am Ende des Monats: 400 Franken weg. Er konnte nicht sagen, wofür.


Das Problem war nicht die Summe. Das Problem war die fehlende Klarheit.

In beiden Fällen haben wir nicht mit einem Sparplan angefangen. Wir haben verstanden. Wofür das Geld wirklich ausgegeben wurde. Was kompensiert wurde. Was sie sich nicht trauten, sich selbst zu geben – ohne Geld auszugeben.

Nach sechs Monaten hatten beide ihr Konto im Plus. Nicht weil sie mehr verdienten. Sondern weil sie aufhörten, sich selbst zu belügen.


Geld und Gefühle

Das ist die Regel, nicht die Ausnahme. Menschen geben Geld nicht für Dinge aus. Sie geben es für Gefühle aus. Für Erleichterung. Für Bestätigung. Für die Illusion von Kontrolle.

Solange sie das nicht verstehen, ändert sich nichts. Dann können sie hundert Budgets erstellen. Tausend Spartipps lesen. Es wird nichts bringen.

Denn das eigentliche Problem ist nicht das Geld. Es ist die Weigerung, hinzuschauen. Die Hoffnung, dass es sich von selbst regelt. Die Überzeugung, dass man eigentlich alles richtig macht – während die Zahlen etwas anderes sagen.

Finanzielle Freiheit beginnt nicht mit mehr Geld. Sie beginnt mit Ehrlichkeit. Mit der Bereitschaft, sich selbst unangenehme Fragen zu stellen. Mit dem Mut, die Antworten anzuschauen.


Und genau da beginnt auch die Veränderung.

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